“300 Millionen Nutzer, süchtig nach Stalking”. Oder auch: “Instagram macht uns alle zu Psychopaten”.
Als ich vor einigen Wochen diesen Artikel auf welt.de las, musste ich tatsächlich einmal kurz innehalten und schmunzeln. Denn der Autor dieses Artikels hatte Recht. Nicht in allen, aber zumindest in vielen Punkten.
Dass die App die kaputteste App der Welt ist, möchte ich an dieser Stelle nicht unterstreichen, denn mit und durch Instagram ist ein ganzes Business entstanden. Unbekannte Mädchen von Nebenan werden durch Instagram oder YouTube auf einmal zu großen Internet-Stars. Blogger, so wie ich, geben Euch, den Lesern, einen noch persönlicheren Einblick in das eigene Leben und man bekommt schnell das Gefühl, als wäre der Lieblings-Instagram-Account der der großen Schwester oder der der besten Freundin. Ja, irgendwie baut man ein ganz persönliches Verhältnis zum virtuellen Gegenüber auf. Echt und erreichbar eben.
Aber natürlich gibt es auch Schattenseiten. Mal abgesehen davon, dass man viel von sich selbst preisgibt (wobei man immer noch selbst bestimmen kann, was man von sich veröffentlicht), gibt es auch viel Neid und Missgunst.
Gott sei Dank, halten sich Shitstorms oder ähnliches auf meinen Social Media Kanälen in Grenzen, aber auch ich habe schon das ein oder andere Mal eine alles andere als freundliche E-Mail erhalten. Genau diese sind in der Regel von Menschen, die heimlich deinen Blog oder deine Instagram-Einträge mitlesen, dich noch nie gesehen haben, geschweige denn dich persönlich kennen und trotzdem überall ihren Senf hinzugeben müssen. Was ich mit solchen E-Mails mache? Ganz einfach: Ich verschiebe sie kommentarlos, aber schmunzelnd in den Papierkorb.
Der Artikel auf welt.de bemängelt insbesondere, dass Instagram einen Großteil unseres Alltags bestimmt und einige von uns schon zittrige Hände bekommen, wenn wir das iPhone mal für eine ganze halbe Stunde aus der Hand gelegt haben. Aber mal ehrlich: Wir wollen es doch so. Ich finde nicht, dass wir deshalb automatisch zu Psychopaten werden. Instagram ist und bleibt eine Scheinwelt. Und überall sehen wir es. Jede Stunde, jede Minute. Überall werden neue fantastische Bildstrecken, tolle Portraits und Interieur Inspirations gepostet. Da sind Hauls, Fitnessübungen oder einfach nur ein toll drapiertes #foodporn Frühstück. Wie viel davon am Ende echt ist, weiß nur der Blogger selbst.
Ein gutes Beispiel dafür ist eine Situation, die ich letztens auf einem Pressday erleben durfte. Neben mir stand eine internationale Influencerin und sie war dabei Ihr Frühstück perfekt zu drapieren. Da wurde geschoben, die Serviette noch akkurat gefaltet und Pancakes mit viel Obst und die farblich dazu passenden Blumen so drapiert, dass sie sicher gehen konnte, dass ihr #breakfie -Bild viel Zuspruch auf Instagram bekommt. Dann wird gepostet: “Totally in Love with these delicious pancakes. Herzchen. Herzchen. #pancakesforbreakfast”. Dass das junge Mädchen anschließend Ihr Frühstück komplett unangetastet hat stehen lassen und nur noch an ihrem No-Fat Latte Macchiato genippt hat, sieht hinterher niemand mehr. Und wer weiß, die meisten wollen es vielleicht auch gar nicht.
Trotzdem finde ich, dass der oben angesprochene Artikel die Nutzung von Instagram vollkommen dramatisiert und viele Dinge übertrieben darstellt. Natürlich ist Instagram nur eine Scheinwelt und dementsprechend auch so zu bewerten – so wie auch das Fernsehen und die Inhalte von Hochglanz-Magazinen. Ein hübsches Blumenbild, auf dem beiläufig perfekt drapiert die neue YSL-Clutch zu sehen ist, ist das, was die Leute nun einmal sehen wollen. Nicht, der Blick auf die wunderschöne Hamburger Hafen Skyline. Wer das weiß und damit umgehen kann, für den ist das alles vielleicht gar nicht so schlimm. Fake it til you make it. Nur dass das natürlich öffentlich kaum jemand zugeben will.
Ich persönlich finde das nur bedingt okay. Klar, es gibt auch Tage, an denen ich beispielsweise das Frühstück von gestern als Frühstück von heute poste. Das hat aber meistens den Grund, dass ich Vollzeit arbeite und es schlichtweg nicht mehr geschafft habe, am Vortag das Frühstücksbild mit Euch zu teilen. Und ja, auch ich setze meine Food-Beiträge ins richtige Licht und schiebe Servietten, Blumen & Co. solange hin und her bis ein schöner Gesamteindruck entsteht. Und ich gebe auch zu, dass ich mittlerweile nur noch selten mit dem iPhone fotografiere und lieber auf meine Spiegelreflexkamera zurückgreife. Aber immerhin esse ich auch das, was ich zuvor fotografiert habe.
Ich liebe schöne Bilder. Wer tut das nicht. Ein toll drapiertes Frühstück sieht einfach besser aus, als ein schlecht belichtetes, vollkommen verpixeltes und einfach auf den Teller geklatschtes Frühstück.
Insgesamt betrachtet, sollte man Instagram einfach nicht zu ernst nehmen. Wie schon im Fernsehen oder in Hochglanz-Magazinen, wollen wir doch auch hier Bilder sehen, auf denen die vollbusige und ansonsten nahezu anorexische Superblondine in knappen Shorts und einem noch knapperen Tank Top, ihre morgendlichen Selfies mit uns teilt. Hashtag: #nomakeup.
Wer das echte Leben will, für den gibt es ja zum Glück immer noch eines: den Off-Button des iPhones.