#PERSONAL – Warum wir als Generation Unverbindlich gelten

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Letztes Wochenende saß ich mit einer langjährigen Freundin in unserer Lieblingsbar. Wir tranken Cocktail für Cocktail, tauschten den neusten Klatsch und Tratsch aus und lachten viel – bis das Thema Männer zur Sprache kam …

Als ich sie fragte, wie es denn bei ihr mit den Männern liefe, wurde sie ruhig und ihr Gesicht verfinsterte sich.
“Ach, weißt du. Ich bin mit Männern durch. Oder zumindest mit der Liebe. Denn, naja, so ganz ohne Männer geht es ja auch nicht.”, sagte sie und grinste mich dabei an. Ich ahnte worauf sie hinaus wollte, lachte und fragte: “Gleich so schlimm?” – “Du ahnst nicht wie sehr. Männer sind inzwischen scheinbar für nichts mehr zu gebrauchen – außer für’s Bett.”

BOOM. Das war eine heftige Aussage und doch wusste ich genau, was sie meinte. Während mit 13 und 14 alles noch sooooo easy war und ein Zettelchen mit “Willst du mit mir gehen? Ja – Nein -Vielleicht” reichte, um die Beziehung zu besiedeln, hat heute inzwischen fast jeder Angst. Angst vor zu viel Nähe. Vor zu vielen Verpflichtungen. Angst vor zu viel Verbindlichkeit.

“Weißt du, ich habe kein Problem mit lockerem unverbindlichen Sex. Womit ich aber ein Problem habe sind diese lockeren monatelangen Exklusivverträge, die nicht nur den Eltern schwer zu erklären sind, sondern auch dem Verstand. Und vor allem dem Herzen.”, sagte Franzi nachdenklich. “Und das Schlimme ist: Ich bin wahrscheinlich gar keinen Deut besser, denn die Angst ist viel zu groß, wieder verletzt zu werden.”

 

Wir leben und lieben das Mingle-Dasein.

 

Damit sprach Franzi genau das aus, was viele sich bis heute nicht eingestehen wollen: Man trifft sich für lockeren Sex, dann wird daraus ein gemeinsamer Abend mit Wein und gutem Essen, später verabredetet man sich für’s Kino und kurz darauf plant man einen gemeinsamen Kurzurlaub. Natürlich alles ganz unverbindlich, weil die Angst im Nacken sitzt, am Ende doch enttäuscht zu werden. Man genießt die gemeinsame Zeit, so lange wie es eben läuft – hauptsache man gibt dem ganzen keinen Namen, denn wenn man “es” benennen würde, würde sich ja alles auf einmal ändern. Man müsste auf einmal anrufen und SMS schreiben, Diskussionen führen und Kompromisse eingehen.

In Zeiten, in denen man die Wohnorte und Jobs wie seine Unterwäsche wechselt und den schnelllebigen Lifestyle liebt, ist es nicht verwunderlich, dass auch Beziehungen nicht mehr mit der Plakette “Dauerhaft” versehen werden wollen. Denn irgendwo wartet noch etwas besseres auf uns. Der bessere Job, die schönere Wohnung und irgendwo sicher auch der passendere Partner. Und wenn wir uns verlieben, dann darf das kein schleichender Prozess sein, sondern es muss sofort “PENG!” machen.

 

Benching & Ghosting – die neuen Dating Phänomene

 

Vor einiger Zeit gab es mal eine Zigarettenwerbung mit dem Slogan: “Don’t be a Maybe.”. Doch wir sind schon lange zu genau diesen Maybes geworden. Wir sind die Unentschlossenen, die Zögerer und Abwarter unserer heutigen Zeit. Wir sind diejenigen, die “Ghosting” und “Benching” perfektioniert und den respektvollen Umgang mit anderen Menschen schon längst verlernt haben.
Während beim Ghosting der potenzielle Partner, mit dem man sich zuvor noch blendend verstanden hat, plötzlich und ohne jegliche Vorwarnung von der Bildfläche verschwindet, lässt man beim Benching seinen Flirt im Dunklen, schiebt ihn wochenlang auf die lange Bank und hält ihn sich warm. Diese Art und Weise ist an sozialer Inkompetenz wohl kaum noch zu überbieten. Und all diese Dating-Phänomene sagen im Grunde nur eines: “Du bist keine Priorität. Du bist maximal eine Option.”

“Ich habe mich dazu entschlossen nicht länger nur eine Option zu sein.”, sagte Franzi bestimmt.
“Ich habe das ganze beendet, bevor es richtig angefangen hat. Ich möchte nicht zur Generation Unverbindlich gehören, auch wenn es oft der leichtere Weg zu sein scheint. Ich war in der Vergangenheit vielleicht nicht unbedingt besser, aber ich habe meine Zukunft in der Hand. Ich will nicht mehr zu dieser egoistischen Generation gehören, deren eigene Bedürfnisse wertvoller sind, als die des anderen.”

 

Wir erwarten wenig von uns selbst und viel von anderen.

 

Und Franzi hat Recht. Wir sind inzwischen zu einer Generation geworden, die ungern Kompromisse macht, aber möglichst viel Flexibilität von anderen erwartet. Dass das auf Dauer nicht gut gehen kann, sollte eigentlich jedem klar sein. Wir wollen nicht planen, sondern lieber leben. Wir schlafwandeln durch eine nahtlos vernetzte Welt voller Möglichkeiten und sind gleichzeitig verunsichert dank der Fülle an Optionen. Doch auch wenn es manchmal unangenehm ist: man sollte den Mut haben, Entscheidungen zu fällen und erwachsen genug sein, mit den Konsequenzen seiner Handlungen zu leben. Und wer weiß, vielleicht sind wir irgendwann wieder verrückt genug, um uns auf einen anderen Menschen voll und ganz einzulassen zu können – und vor allem zu wollen. Denn indem man sich alles offen hält, macht man auf Dauer weder den anderen glücklich, noch sich selbst. Gründe, keine Beziehung führen zu können, wie Job, Uni oder Stress, mögen auf den ersten Blick vielleicht Gründe sein, aber in Wahrheit dienen sie nur als Ausreden, hinter denen man sich gut verstecken kann.

Ich glaube fest daran, dass alles im Leben aus einem bestimmten Grund heraus geschieht. Man trifft auf Menschen, die einem gut oder weniger gut tun. Man lernt daraus und zieht seine Konsequenzen. Aber deshalb immer unverbindlich bleiben? Bitte, das ist keine Konsequenz – das ist feige.

 

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11 Comments

  1. says: BK

    Gut auf den Punkt gebracht! Wobei mir dieses Phänomen noch nicht so oft begegnet ist. Entweder bin ich mit 28 dafür schon zu alt oder es liegt daran, dass wir auf dem Land wohnen. In unserem Freundeskreis hat (seit ich 19 bin) kaum einer ein Mingle Dasein genossen, sondern steckt schon lange in festen Beziehungen. Vielleicht gibt es da auch ne Diskrepanz zwischen Stadt und Land?!

    1. says: Bea

      Liebe Katharina,

      es ist gut möglich, dass dieses Mingle-Phänomen eher ein Städte-Ding ist. Viele meiner Freunde, die auf dem Land wohnen, kennen die beschriebene Situation auch nur vom Hörensagen. Aber egal, ob sowas auf dem Land oder in der Stadt geschieht: so mit anderen Menschen umzugehen ist und bleibt ein No-Go. 🙁

      Liebste Grüße
      Bea

  2. says: Liz

    Eigentlich lasse ich nie unter irgendwelchen Blogartikeln einen Kommentar. Aber dieser Post ist einfach so wahr uns spricht mir aus der Seele. Am liebsten würde ich ihn mal einigen “Verflossenen” schicken, die die letzten Jahre so durch mein Leben geschlichen haben und dann mir nichts dir nichts im jenseits verschwunden sind.

    Liebste Grüße,
    Liz

    1. says: Bea

      Liebe Liz,

      das kann ich sehr gut nachvollziehen. Wenn wir Glück haben, wird der Beitrag auf den sozialen Netzwerken oft genug geteilt und erreicht vielleicht doch noch den ein oder anderen Verflossenen … 😉

      Liebste Grüße
      Bea

  3. says: Doris

    Sau gut!!!! Voll auf den Punkt gebracht!!! Zum Glück habe ich sowas noch nicht erlebt und ganz ehrlich so was will ich auch nicht erleben!
    Was ist daraus geworden wie “so zusammen alt werden wie Oma und Opa” oder “Trotz eines Streits zusammenhalten”?
    Ich sehe viele Menschen die erstaunt sind wenn mein Partner und ich sagen wie lange wir zusammen sind (8 Jahre) und da frage ich jedesmal “warum so erstaunt?” und dann kommt jedesmal die selbe Antwort (und das ist echt traurig) “Naja so lange sich zu binden ist zwar schön und vertraut aber auch echt langweilig und man verpasst viel…” Was verpasse ich denn? Dieser ständige Herzschmerz von ekelhaften Typen der dann doch nicht anruft / kommt ? Dieses ganze Dating-Rotz pder App? Darauf kann ich sehr gerne verzichten und ich lebe gerne nach dem Motto den mir meine Oma mal gegeben hat:
    “Streit ist eine Form von Zuneigung! Denn würde er sich nicht mit dir streiten dann wärst du ihn egal! Und versöhnt euch schnell wieder denn wütend ins bett gehen oder auf Arbeit gehen und dabei sich nicht richtig verabschieden kann fatale Folgen haben!”
    und damit hat sie verdammt nochmal recht!!!

    Ich finde es echt toll wie du dieses Thema ansprichst! Und ich folge dir sehr gerne! Mach bitte weiter so! 🙂

    Liebste Grüße

    doris von Doricicas_blog

  4. says: Kathi

    Hallo liebe Bea.
    Genauso wie du das hier schreibst, hab ich bis vor 7 Monaten anderen erklärt warum ich mingle bin… ich muss ja selber zugeben, dass ich das ganze am Anfang (also vor über einem Jahr) echt gut fand. Und das vor allem aus einem Grund: ich wollte nichts mehr fühlen und keiner sollte mehr irgendwas über mich wissen. Erstaunlicher Weise hat das sehr sehr gut funktioniert. Ich dachte nicht, dass es so einfach ist, da ich vorher immer in Beziehungen war und mit so was keine Erfahrung hatte. Aber am „Höhepunkt“ des Ganzen, merkte ich genau das was auch deine Freundin sagt: es gab mir nichts zurück, nur diese eine zu sein. Diese eine, die nie geliebt werden wird. Dieses Gefühl, dass ich so leicht austauschbar bin und auch nicht ausreichend bin, um geliebt zu werden, das war dann plötzlich so präsent und hat mich so getroffen, dass ich mich wieder geöffnet hab. Und schlussendlich hab ich genau dann vor 7 Monaten meinen Freund kennen gelernt.
    Vielen Dank für deine so treffenden Worte ❤️

  5. says: Verena

    Ach,das wollte ich auch
    Mingle
    Unverbindlich
    Flexibilität fordernd
    Aber bloß keine Kompromisse
    Bis mein aktueller Gegenüber sagte – damit tust du mir so weh
    Und ich es kapiert habe
    Entweder will ich ihn oder nicht. Entweder ganz oder gar nicht
    Aber ich dachte auch – kommt noch das große bang, das kopfverdrehen…
    Und jetzt? Hab ich mich doch in diese Person verliebt – Stück für Stück
    Und wenn man schenkt-bekommt man so viel zurück
    Ein Hoch auf deine Post und den Mut liebe zuzulassen

  6. says: GOTT

    Alle finden den artikel gut und verhalten sich doch so. 😉 wetten?

    Als mann bin ich es gewohnt, in meinen schwierigen Gefühlen von Frauen grundsätzlich zu ernst genommen zu werden. Wenn wir uns für bindungsgestört erklären, ist das eine “Ausrede”. Wenn wir uns nicht binden wollen, sind wir “feige”. Nach meiner Erfahrung fühlen Männer in beziehungen wesentlich krasser als Frauen, lassen sich tiefer und nachhaltiger verletzen, von Trennung traumatisieren.

    Ich möchte überleben und nicht wegen einer gescheiterten Beziehung zu einer Frau, die sich dann doch mal wieder umentschieden hat, sterben müssen. Darum und solange Frauen keinen Respekt für diese Gefühle haben, sind sie für mich nur zum Spielen. Und niemals mehr. Das ist kein Rock der Welt wert.

    Frauen sind nun mal die gatekeeper des sex. Männer sind die gatekeeper der Verbindlichkeit. Ausgleichende Gerechtigkeit.

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