Vielleicht könnt ihr euch noch an die Deutschlandtour erinnern, die ich gemeinsam mit dem Team von Firefox/Mozilla unter dem Motto “Fit und sicher im Web” im Oktober und November veranstaltet habe. Wir (das Team von Mozilla und meine Wenigkeit) möchten aufklären und gaben den Nutzerinnen in Berlin, Hamburg, Köln und München eine praktische Hilfestellung für ihren Online-Alltag (und darüber hinaus). Wir möchten Bewusstsein wecken für die Chancen und Gefahren, die das Internet bietet, denn bewusste Entscheidungen treffen und aktiv mitgestalten, kann nur der, der das nötige Hintergrundwissen hat.
Zweieinhalb Stunden dauert der Workshop, der sich aus Online-Sicherheitstraining und Krav-Maga-Schnupperkurs zusammensetzt.
Nach drei Tagen der “Fit und sicher im Web“-Tour sind wir uns einig: es braucht mehr solch interaktiver Formate, die aufklären, Hilfe bieten und Bewusstsein für die Digitalisierung und dessen Chancen und Gefahren schaffen. Denn selbst jemand wie ich, der im Netz Zuhause ist, kennt längst nicht alle Tipps und Tricks rund um sicheres Surfen im Netz. Und wenn es mir schon so geht, wie soll es dann erst anderen Menschen gehen, die Social Media & Co. nur sporadisch nutzen und darüber hinaus nicht viel damit zu tun haben?
Passwörter – wenn der Internet-Auftritt nicht mehr sicher ist
Eine Frage der Teilnehmer, die wir auch im Workshop aufgegriffen haben, war: “Wieviele von euch haben schon einmal Passwörter wie “Passwort123″ oder das eigene Geburtsdatum verwendet?” Zu unserer Überraschung schnellten genau bei dieser Frage, die meisten Hände nach oben. Doch warum ist so eine Passwortkombination eigentlich so gefährlich? Gerade so einfache Passwörter (oder Passwortbestandteile) sind für Dritte leicht zu erraten und für bestimmte Algorithmen eine Goldgrube, die im Nu geknackt werden kann. Unsere Social Media Auftritte geben gerne unser Geburtsdatum preis, schließlich mögen wir es alle, wenn wir auf Facebook Glückwunschgrüße zum Geburtstag erhalten. Die ideale Lösung, um im Netz geschützt zu sein, sind also ausreichend sichere Passwörter aus einer Kombination von Groß- und Kleinbuchstaben, Zahlen und Sonderzeichen. Im Idealfall besitzt darüber hinaus jeder Account ein eigenes Passwort. Problem hier: wer kann sich schon die vielen verschiedenen Passwörter seiner ganzen Shopping- und Social Media Seiten merken? Eine Lösung hierfür sind u.a. “Passwort Manager”, in denen all eure Passwörter zu finden sind, die aber gleichzeitig so verschlüsselt sind, dass kein Unbefugter darauf Zugriff hat.
Was will schon jemand mit meinem Passwort. Ich bin ja nicht berühmt oder so.
Worte, die wir auf unserer “Fit- und sicher im Web”-Tour immer wieder zu hören bekommen. Im Grunde richtig, aber dennoch müsst ihr bedenken, dass sich auch Daten und Passwörter ganz gewöhnlicher Nutzer und Nutzerinnen – unabhängig von ihren demographischen Merkmalen – im Internet gewinnbringend verkaufen lassen und dadurch viel Unfug mit den Accounts angestellt werden kann – ohne, dass der oder die Geschädigte sofort etwas davon mitbekommt.
Tracking Profile und Cookies – die digitalen Stalker im Web
Neben den Passwörtern sind Tracking Profile ein fast größeres Problem. Tracking Profile und Filterblasen kennen inzwischen viele aus eigener Erfahrung – und am Ende sind die Menschen doch überrascht oder sogar schockiert, welche Datenmengen über das Internet gesammelt und teilweise sogar an Dritte weitergegeben werden – ohne, dass wir es mitbekommen. Dabei ist Sicherheit und die Möglichkeit, sich zu verteidigen, in allen Bereichen des Leben unfassbar wichtig.
Was wir im Internet machen, ist eine sehr persönliche Angelegenheit – und doch haben wir nur wenige Möglichkeiten, die Datenerhebung im Web zu verstehen und vor allem auch zu kontrollieren. Bei Tracking Profilen geht es schon lange nicht mehr darum, die Menschen nur zum Kauf eines zuvor im Netz gesuchten Wintermantels zu animieren. Tracking Profile und Cookies sind invasiv, unheimlich und beängstigend und erfassen viel mehr als wir uns vorstellen können. Die von den Trackern und Cookies gesammelten Daten können ernsthaften Schaden anrichten, indem sie zielgerichtet polarisierende, politische Werbung schalten oder sogar Entscheidungen von Versicherungen beeinflussen können. Dies könnte dazu führen, dass die Versicherung aufgrund des Profils einen höheren Beitrag verlangt oder man sofort abgelehnt wird.
Natürlich soll das nicht bedeuten, dass Cookies per se schlecht sind, denn die Webseiten nutzen sie auch, um den Usern ein besseres und einfacheres Shoppingerlebnis zu bieten. Dennoch sollte jeder von uns aktiv darüber entscheiden können, welche Informationen über uns wofür eingesetzt werden. Denn letztlich begünstigen besonders detaillierte Tracking-Profile umfassende Informationssammlungen, die eine ganze Menge Rückschlüsse über jeden einzelnen von uns zulassen.
Filterblasen fördern Desinformationen und Fake News
Unsere Tracking Profile können auch die Entstehung von Filterblasen begünstigen. Filterblasen entstehen, wenn uns Usern nur die Informationen angezeigt werden, die ein Algorithmus aufgrund vorhandener individueller Informationen als interessant für die jeweiliger Person einstuft. Und sobald uns Nutzern nicht mehr das gesamte Spektrum an Informationen angezeigt wird, sondern stattdessen nur ein kleiner Ausschnitt, passiert es schnell, dass man nur einseitig informiert ist, was wiederum die Verbreitung von Desinformationen fördern kann. Natürlich kann man die gezeigten Infos mit anderen Medien und Beiträgen vergleichen, um Desinformationen zu meiden, jedoch zeigt das regelmäßige Aufkommen von sogenannten “Fake News”, dass unsere kollektive Wahrnehmung so leider nicht immer funktioniert oder viele User auch einfach zu bequem sind, um solche Informationen genauer zu überprüfen.
“Insbesondere Desinformationen können gezielt dafür genutzt werden, um Menschen zu beeinflussen und zu instrumentalisieren.”, erklärte Tana Schulte, die selbst Psychologin ist und seit mehreren Jahren Krav Maga, eine anwendungsorientierte Selbstverteidigung, unterrichtet. Tana ist für You Can Fight! tätigt, einem Verband, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, Menschen stark zu machen. Hierbei geht es jedoch nicht um den Schutz im Internet, sondern im realen Leben. Denn so wie man sich auf die Gefahren im Internet kümmern muss, gibt es darüber hinaus auch im realen Leben Dinge, die dem eigenen Schutz dienen können. Beim Krav Maga spielt weder das Geschlecht, das Alter noch die Körpergröße eine Rolle. Krav Maga soll vor allem die Reflexe fördern, das Selbstbewusstsein stärken, Sicherheit geben und die Fähigkeit stärken, bestimmte Situationen richtig ein zu schätzen. Durch Informationen, einer bestimmen Vorbereitung und einer Portion Vorsicht, lassen sich auf diese Weise in beiden Welten die Gefahren minimieren.
Absolute Sicherheit gibt es nicht
Absolute Sicherheit gibt es nicht – weder in der digitalen, noch in der analogen Welt. Das ist uns allen während der “Fit und sicher im Web“-Tour bewusst geworden. Und trotzdem: Bewusstsein und die Bereitschaft auch mal den unbequemen Weg zu gehen, sind der Schlüssel zu einem sicheren Online-Leben. Darauf zu achten sich best möglich abzusichern und für jeden Account ein eigenes Passwort anzulegen ein absolutes Muss. Suchmaschinen, Messenger, Browser und E-Mail Dienste nutzen, die mehr als die reine Gewinnmaximierung im Sinn haben und sich vor allem bewusst darüber zu werden, dass das Internet nicht nur Chancen, sondern auch viele Gefahren birgt, ist der erste Schritt in die richtige Richtung.
Schließlich wollen wir uns doch im World Wide Web auch weiterhin sicher und zuhause fühlen, oder?